„Die Politik sollte sich nach den Realitäten richten“

Jochen König hat zwei Töchter. Fritzi und Lynn. Fritzi stammt aus einer früheren Beziehung, geht schon zur Schule und lebt die meiste Zeit bei Jochen. Lynn hat zwei Mamas. Jochen spricht in seinem Buch von seiner „Co-Eltern-Patchwork-Regenbogen-Familienkonstellation“.  Denn als sein Wunsch nach seinem zweiten Kind immer größer wurde, aber gerade die richtige Partnerin fehlte, bekam er mit einem lesbischen Paar zusammen ein Kind.

Der Blogger und Autor wünscht sich von der Politik einen Blick auf das Thema Familie, der der Zeit und der Realität entspricht. Was er persönlich für seine Familie fordert und wie sein Umfeld auf seine Familie reagiert, erzählt er im Interview:

 

Was muss sich politisch und gesellschaftlich in Bezug auf „Familie“ ändern?

„Ich fände es wichtig, dass unterschiedliche Familien in ihrer Realität wahrgenommen werden. Also, dass die Politik, die Öffentlichkeit und die Gesellschaft erkennen, dass es unterschiedliche Familien gibt und dass diese unterschiedliche Bedürfnisse haben. Es gibt eben nicht mehr nur das „Mama, Papa, Kind – Ideal“, sondern es gibt Alleinerziehende, Patchworkfamilien, Transeltern und es gibt Co-Eltern-Familien, wie meine Familie. Die Politik sollte sich nach den Realitäten richten und nicht nach einem Ideal. Was die konkreten Bedürfnisse der jeweiligen Familien sind, müsste man dann besprechen. Da kann ich auch nur für meine Familie sprechen.“

Wie sehen denn die Bedürfnisse deiner Familie aus?

„Bei uns wäre es wichtig, dass drei Personen Eltern für ein Kind sein können. Das ist in Deutschland nicht möglich, wir sind aber zu dritt und wollen auch zu dritt Eltern sein. Es wäre also super, wenn es irgendwann möglich wäre, dass wir auch rechtlich zu dritt als Eltern von Lynn eingetragen werden.“

Wie reagiert dein Umfeld auf dein Familienmodell?

„Ganz unterschiedlich. Es gibt natürlich Leute, die das total komisch finden. Die finden es absurd, wie ich lebe. Dann gibt es welche, die Zeit gebraucht haben um sich mit dem Gedanken anzufreunden und merken jetzt, dass es so auch funktioniert. Es gibt natürlich auch stark negative Reaktionen. Die kommen dann aber weniger aus meinem Umfeld.“

Wie gehst du mit negativen Reaktionen um?

„Manchmal ist es mir völlig egal, wenn es beispielsweise nur ein blöder Kommentar unter irgendeinem Artikel ist. Manchmal geht es mir natürlich nah und frustriert mich. Dann schreibe ich oft Artikel um das zu verarbeiten. Wenn es Leute sind, die eine Bedeutung für mich haben, gehe ich auch mal in die Diskussion. Oder wenn ich das Gefühl habe, etwas klarstellen zu müssen. Also ganz unterschiedlich. Je nach Situation.“

Hatten deine Kinder schon mit Vorurteilen zu kämpfen und wie sahen die aus?

„Wenn dann Fritzi. Die ist schon in einem Alter in dem viel darüber diskutiert wird. Sie ist schon in Situationen gekommen in denen sie sich zumindest erklären musste; dass bei uns eben viele Sachen anders laufen als in anderen Familien. Ich würde aber sagen, dass meine Tochter da total selbstbewusst und klar ist. Richtige Diskriminierung hat sie bisher aber auch noch nicht erlebt. Das waren eher Nachfragen wie: „Hä? Das geht doch aber nicht, dass deine Schwester zwei Mütter hat“.

Glaubst du, sie hat Angst davor mal in eine Situation zu kommen, in der sie nicht mehr weiterweiß?

„Nein, glaube ich nicht. Und ich habe auch keine Angst davor. Ich denke, dass sie selbstbewusst genug ist. Sie weiß, dass ihre Familie so ist, wie sie ist und da kann ihr niemand erzählen, dass das irgendwie falsch ist. Da hat Fritzi die besseren Argumente. Sie lebt das ja und weiß, dass es so ist und so funktioniert.“

Was brauchen Kinder innerhalb der Familie?

„Sie müssen geliebt werden, jemand muss für sie da sein, muss sie trösten, Essen machen, ins Bett bringen. Es gibt eben Grundbedürfnisse, die gestillt werden müssen. Und Kinder brauchen Bezugspersonen. Das müssen auch nicht immer Mama und Papa sein. Das können zwei Mamas, die Erzieherin oder der Opa sein. Da geht es mehr um Personen bei denen Kinder Halt und Hilfe finden, die aber auch als Vorbild fungieren.“

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