Co-Parenting

Über Wochen und Monate hinweg hatte sich Christine Wagner mit ihrer Partnerin auf die Suche nach dem richtigen Mann begeben, der mit ihnen zusammen ein Kind bekommt. Es sollte kein anonymer Samenspender sein. Das lesbische Paar hatte genaue Vorstellungen wie der zukünftige Vater ihres Kindes zu sein hat: er soll sich aktiv an der Erziehung beteiligen, menschlich muss es passen und am besten sollte er schwul sein. So wäre es perfekt, dachten sie sich. Doch wo findet man einen solchen Mann mitten in Berlin? Vielleicht über Kontaktanzeigen in Lesbisch-Schwulen Magazinen? Einen Versuch war es wert. Sie trafen verschiedene Männer, doch der Richtige war nicht dabei. Auch in verschiedenen Kinderwunsch-Gruppen blieb die Suche erfolglos. Für die beiden Frauen rückte der Traum von der Familie, wie sie ihren Vorstellungen entsprach immer weiter in die Ferne.

Es war ein Abend auf dem Sofa, der alles veränderte. Das Familienmodell „Co-Parenting“ hatte das Interesse der jungen Frauen geweckt. Dabei lernen sich Menschen mit Kinderwunsch meist über eine Internetplattform kennen um sich den gemeinsamen Wunsch auf freundschaftlicher Basis zu erfüllen. Das Konzept stammt aus den USA und war Ende 2011 in Deutschland noch völlig unbekannt. Christine Wagner und ihre Partnerin änderten das an diesem Abend. Es war die Geburtsstunde von familyship“.

 

Wie kam es zu den ersten Anmeldungen auf der Seite?

„Sowas lebt natürlich von den Leuten, die auf der Seite aktiv sind und wenn sich da niemand anmeldet ist die Seite auch ganz schnell wieder tot. Wir konnten uns auch damals noch nicht so richtig vorstellen wer das alles nutzen könnte und haben erstmal nur an alle Schwulen und Lesben zwischen zwanzig und vierzig gedacht. So grob jedenfalls. Dann haben wir eine Art Pressemeldung an Schwul-Lesbische Magazine geschickt. Die haben das dann teilweise als Meldung rausgebracht und dadurch haben wir relativ schnell ein paar Interessenten auf die Seite bekommen. Das waren vielleicht hundert Leute aus ganz Deutschland. Also wirklich wenige. Aber Immerhin. Das ist dann kontinuierlich gewachsen, wurde immer größer und hat sich rumgesprochen. Inzwischen sind 3000 potentielle Co-Parents angemeldet.“

An wen richtet sich diefamilyship_gruenderinnen-1800x1000 Website inzwischen?

„Eigentlich an alle. Wir hatten zwar mit dem Gedanken gestartet, dass es ein Angebot für Homosexuelle sein soll und haben dann gemerkt, dass sich immer mehr Heteros bei uns anmelden. Das fanden wir erstmal komisch und haben uns gefragt, was die denn bei uns wollen. Aber der Bedarf ist groß. Ich habe das Gefühl, dass da eine halbe Generation an Singles heranwächst, die Ende dreißig ist aber sich trotzdem ein Kind wünscht. Ich denke die sexuelle Orientierung ist bei Co-Parenting total egal. Homo- und heterosexuelle Mitglieder mischen sich auch. Zu Beispiel tut sich ein schwules Paar mit einer heterosexuellen Frau zusammen oder andersrum. Da gibt es wirklich alles. Das hängt von der persönlichen Lebenssituation ab und ich habe den Eindruck, dass die meisten wirklich gefestigt sind, einen Beruf haben, finanziell unabhängig sind und sich in einem guten sozialen Umfeld befinden.“

Wie ging es dann mit eurem persönlichen Kinderwunsch weiter?

„Wir haben dann recht schnell jemanden gefunden. Nach ungefähr vier Wochen hatten wir schon eine Hand voll Männer getroffen und da war der richtige dann dabei. Das war natürlich großes Glück. Leider ging die Beziehung zu meiner Partnerin noch in der Kennenlernphase in die Brüche. Ich hatte mich inzwischen mit dem zukünftigen Vater angefreundet, sodass wir beschlossen es auf freundschaftlicher Basis als Singles machen. Inzwischen haben wir eine Tochter. Wir haben beide das Sorgerecht und wollen demnächst auch zusammenziehen. Momentan trennen unsere Wohnungen 500 Meter. Das geht zwar aber ich finde es ein bisschen ungünstig wenn die Kleine immer hin und her gereicht werden muss. Manchmal muss ich sie morgens vor der Arbeit um halb acht zum Papa bringen, weil das für die Tagesmutter noch zu früh ist. Dann frühstückt sie bei ihm und er bringt sie zur Betreuung. Das ist für sie einfach doof. Jetzt haben wir bald eine Art WG, wo jeder zwar seine eigenen Bereiche hat aber dennoch wohnt man zusammen und unsere Tochter fühlt sich Zuhause.“

Bei euch hat es gut geklappt, doch wie hoch ist insgesamt die Wahrscheinlichkeit über familyship den richtigen Partner zum Kinderkriegen zu finden?

„Das bleibt das große Fragezeichen. Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Ich weiß auch nicht wie viele Kinder durch unsere Seite schon entstanden sind. Manchmal hört man dann über ein paar Ecken von jemanden bei dem es geklappt hat aber genau weiß ich es nicht. Aber ich freue mich immer, wenn ich höre, dass unser Konzept funktioniert.“

Wie sind allgemein die Reaktionen zum Thema „Co-Parenting“?

„Also ich würde sagen zu 97 Prozent haben die Leute noch nie davon gehört, finden es aber gut. Natürlich gibt es auch Kritiker aber ich bekomme davon tatsächlich wenig mit. Manchmal gibt es unter Online-Artikeln negative Kommentare und kontroverse Diskussionen. Meistens kommen dann der „Egoismus-Vorwurf“ und die Frage nach Struktur innerhalb der Familie. Da schreibe ich dann auch nichts zu. Das finde ich unprofessionell.“

Was würdest Du sagen, wenn dich persönlich jemand angreift und dir beispielsweise Egoismus vorwirft? familyship-header-1024x577-400x285

„Ich kann diesen Vorwurf nicht nachvollziehen. Ich weiß nicht, was daran egoistisch sein soll ein Kind zu bekommen. Das ist jedenfalls nicht egoistischer als in einer konventionellen heterosexuellen Partnerschaft. Meinem Kind geht’s ja gut. Es hat liebende Eltern. Es ist einfach genetisch veranlagt, dass Menschen ein Kind haben und aufziehen möchten. Unabhängig von der Sexualität.“

Was würdest Du gerne gesellschaftspolitisch verändern, wenn es um „Co-Parenting“ geht?

„Ich würde mir wünschen, dass wenn man das Wort Familie hört, eben nicht nur an Mann, Frau, Ehe plus Kinder denkt. Sondern dass man erstmal an die Kinder denkt und die Konstellation dahinter etwas freier definiert wird. Ich will nicht die traditionelle Familie abschaffen –  das ist sicher eine bewährte Institution – aber ich fände es schön, wenn die Gesellschaft nicht so ein starres Bild beim Thema Familie hätte und andere Formen gleichwertig akzeptiert werden. Politisch wünsche ich mir, dass man abgebildet ist. Wenn ich mein Kind zum Beispiel in die KiTa schicken möchte, dann gelte ich plötzlich als Alleinerziehende, weil das Kind bei mir gemeldet ist. Und das obwohl meine Tochter einen Vater hat, der auch sorgeberechtigt ist. Das verstehe ich nicht. Der erscheint dann irgendwie nirgendwo. Dann würde ich mir wünschen, dass man das Sorgerecht auf mehrere Personen aufteilen kann und dass die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare in Deutschland endlich eingeführt wird.“

 

Fotos: Christine Wagner // familyship.org

Ein Kommentar Add yours

  1. czarah sagt:

    Total interessant. Ich habe zum Beispiel darüber nachgedacht, mit meiner besten Freundin Mutter zu werden. Wir sind beide fast 30 und haben langsam keine Lust mehr auf Partnersuche. Wir denken darüber nach, in ein paar Jahren, wenn wir beide dann noch der gleichen Meinung sind, zusammen zu ziehen und eine von uns bekommt dann ein Kind, das wir zusammen großziehen. Das diese Idee so neu gar nicht ist, und dass es sogar eine Plattform dafür gibt, finde ich sehr toll!

Kommentar verfassen