„Bei uns ist niemand der Mann“

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Jennifer und Bianca sind lesbisch. Mithilfe einer Kinderwunschklinik sind sie vor einem Jahr Eltern geworden. Wie ihr Leben nun zu dritt aussieht, erzählen sie im Interview:

 

Wie sieht euer Alltag aus?

Jennifer: „Unser Alltag sieht aus wie der jeder anderen Familie auch, denke ich. Bianca geht bei uns arbeiten und ich bin momentan in Elternzeit. Während Bianca als Lehrerin arbeitet, sind Samira und ich Zuhause und spielen, gehen raus, erledigen Einkäufe und den Haushalt. Nachmittags machen wir meistens was zusammen. Am liebsten gehen wir Spazieren oder auf den Spielplatz. Samira liebt es an der frischen Luft zu sein.“

 

Wie reagiert die Gesellschaft auf eure Familie?

Bianca: „Darüber mache ich mir gar keine Gedanken. Ich sehe gar nicht ob die anders reagieren als auf andere Familien.“

Jennifer: „Die Leute, die es wissen und uns kennen, die machen sich sowieso keine negativen Gedanken, die sind es ja gewohnt. Freunde, Familie, Nachbarn und auch Arbeitskollegen stehen da voll und ganz hinter uns. Und ich denke bei einem lesbischen Elternpaar ist es auch nicht gleich so ersichtlich. Wenn eine von uns einen Kinderwagen schiebt und die andere nebendran läuft, sieht man uns ja nicht gleich an, dass wir lesbisch sind. Wobei wir uns auch nicht verstecken. Wir halten auch Händchen und küssen uns in der Öffentlichkeit. Dabei sind wir aber noch nie angefeindet worden.“

 

Was sagt ihr zu dem Gedanken: „jedes Kind braucht Mutter und Vater“?

Jennifer: „Wir gehen davon aus, dass ein Kind liebende Eltern braucht. Eltern, die dem Kind eine Zukunft und Geborgenheit schenken können. Ich glaube, das ist nicht abhängig vom Geschlecht. Trotzdem ist es uns wichtig, dass Samira auch mit dem männlichen Geschlecht Kontakt hat. Wir sind ja nicht männerfeindlich, wir lieben nur einfach uns als Frauen. Samira hat zum Beispiel viel Kontakt mit ihrem Opa.“

Bianca: „Ich denke, dass es für die Entwicklung positiv ist, wenn jemand mit beiden Geschlechtern aufwächst. Das heißt aber nicht, dass die Eltern zwangsläufig Mann und Frau sein müssen. Der Kontakt kann auch im Freundeskreis oder der Familie bestehen.“

 

Wie ist eure Rollenverteilung Zuhause, falls es sowas bei euch gibt?

Bianca: „Bis Samira auf die Welt kam haben wir uns den Haushalt geteilt. Jenny hat gebügelt, weil sie Bügeln mehr mag als Staubsaugen und ich staubsauge lieber als dass ich bügle. Somit war die Rollenverteilung klar. Seitdem es Samira gibt und Jenny in Elternzeit ist, macht sie mehr im Haushalt und kümmert sich um unsere Tochter. Ich hatte jetzt auch durch meine Ausbildung und die Abschlussprüfungen, die gerade erst vorbei sind, einfach nicht den Kopf für Haushalt und Wäsche waschen. Aber bei uns gibt es keine klischeehafte Rollenverteilung. Bei uns ist niemand der Mann.“

Jennifer: „Wenn ich ab September wieder arbeiten gehe, wird das eh nochmal anders. Ich arbeite dann eher nachmittags und Bianca ist vormittags in der Schule. So gleicht sich das wieder aus.“

 

Wie und ab wann wollt ihr mit eurer Tochter über verschiedene Familienmodelle sprechen?

Bianca: „Dann, wenn sie von der Entwicklung her soweit ist. Vielleicht im Kindergarten. Ich weiß nicht, ob man einen Zeitpunkt festlegen kann. Dann, wenn sie merkt, dass andere Kinder Mama und Papa haben. Wir haben auf jeden Fall vor, offen mit ihr zu sprechen und ihr Rede und Antwort zu stehen. Wir wollen ja nichts verheimlichen. Wir haben jetzt schon ein paar Kinderbücher, die sich mit dem Thema beschäftigen und ich denke, das ist ein ganz guter Ansatz.“

Jennifer: „In dem einen Buch geht es konkret darum, dass zwei Frauen mithilfe einer Kinderwunschklinik ein Baby bekommen können. So, wie es bei uns auch war.“

 

Habt ihr Angst davor, dass Samira später mit Vorurteilen zu kämpfen hat?

Bianca: „Ich würde da kein Öl ins Feuer gießen. Wenn sie in so eine Situation kommt, dann ist es wichtig, darüber zu sprechen, für sie da zu ein und auch zu handeln. Im Zweifelsfall laden wir die Betroffenen zu uns nach Hause ein um zu zeigen, dass es was ganz Normales ist. Am Ende gefällt es denen hier so gut, dass sie gar nicht mehr wegwollen.“

Jennifer: „Als wir sie jetzt in der Krippe angemeldet haben, haben wir gleich unsere Familiensituation offen gelegt um klare Verhältnisse zu schaffen. So wissen die, mit welcher Familienform sie es zu tun haben und können sagen, wenn sie nicht damit klarkommen. Es war aber überhaupt kein Problem. Jetzt ist eine Basis geschaffen und man ist beruhigter.“

Bianca: „Man sollte schon offen damit umgehen, aber nicht von vornherein davon ausgehen, dass es Probleme geben wird.“

 

Wie habt ihr Weihnachten gefeiert?

Jennifer: „Ganz traditionell als Familie. Mit den Großeltern und allen, die dazu gehören. Das ist uns auch wichtig.“

 

Wie sieht eure weitere Familienplanung aus?

Bianca: „Das ist noch ungewiss. Wir bräuchten auf jeden Fall eine größere Wohnung. Aber wir lassen uns da noch Zeit.“

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